Soziale Arbeit 4.0

Kategorie: Projekte

Digitale Barrierefreiheit in der Arbeitswelt – Teilhabe 4.0

Die Teilhabe am Arbeitsleben ist ein grundlegendes Recht, das Menschen mit Beeinträchtigungen ermöglichen soll, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen. Doch was, wenn für die Ausübung einer Tätigkeit spezielle Hilfsmittel benötigt werden? Diese können den Unterschied zwischen Teilhabe und Ausschluss aus dem Arbeitsleben bedeuten. Laut Umfrage des IWD sehen 70 Prozent der Menschen mit Beeinträchtigung in der Digitalisierung eine Chance für den Arbeitsmarkt.

Tatsächlich kann digitale Technik viel dazu beitragen, die Nachteile einer Behinderung am Arbeitsplatz zu kompensieren. Barrierefreie Software, Kommunikationswege und Informationen steigern die Beschäftigungschancen gerade für Menschen mit eingeschränktem Hör- oder Sehvermögen.

Unter anderem durch den Einsatz von Datenbrillen und anderen Tools entstehen zunehmend mehr Möglichkeiten zur Teilhabe. Ganz unabhängig einer zusätzliche Assistenzkraft. Nachfolgend werden einige Tools und Projekte beschreiben und verlinkt. Wie immer gilt den Einsatz solcher Hilfsmittel intelligent zu gestalten.

Datenbrillen

Eine intelligente Datenbrille kann, durch das Einblenden von Informationen ins Sichtfeld des Nutzenden, Arbeitsabläufe unterstützen. Sie helfen gehörlosen Mitarbeitende in der Logistik über das sogenannte Pick-by-Vision-Prinzip: Die Brille ist über Bluetooth mit einem Handscanner verbunden und erhält via WLAN Informationen zu neuen Aufträgen. Das Display zeigt dann eindeutige Informationen in Form von Piktogrammen an. So werden Missverständnisse vermieden, die dadurch entstehen, dass sich die Grammatik der Lautsprache und die der Gebärdensprache unterscheiden. Die Piktogramme sind zudem von allen Mitarbeitenden zu verstehen.

Solche Brillen können aber auch Menschen mit autistischen Störungen unterstützen. Sie können Probleme mit ungewohnten Situationen oder mit Effekten haben, die sie als störend empfinden. Die Form der Trigger ist dabei sehr individuell, es kann eine bestimmte Farbe, ein Geräusch wie die Klimaanlage oder etwas anderes sein. Eine entsprechende Brille in Kombination mit einem Headset könnten so angewendet werden, dass sie unerwünschte Effekte für die Person ausfiltern oder ausgleichen, so dass die Betroffenen nicht mehr getriggert werden. Sie würden dann ihre Umgebung vollständig wahrnehmen, nur dass die Elemente verschwinden, durch die sie getriggert werden.

Cobots – kollaborative Roboter

Der Einsatz von Cobots kann Menschen mit Beeinträchtigungen durch angepasste Arbeitsprozesse bessere Chancen für Inklusion, Bildung und Teilhabe eröffnen. Zu den Anwendungsbereichen der Cobots gehören die Durchführung von Qualitätskontrollen direkt am Montage-Arbeitsplatz ebenso, wie die automatisierte Bearbeitung von Produktionsspitzen. Damit sollen im Rahmen der Kooperation Systeme entwickelt werden, die auch Menschen mit Behinderungen oder Menschen ohne sprachliches Ausdrucksvermögen in die Lage versetzen, komplexe Arbeitsaufträge selbstständig umzusetzen. Der kollaborative Roboter fördert dabei die persönliche Entwicklung und das Kompetenzerleben der Mitarbeitenden dadurch, dass er die eigenständige Ausführung komplexer Arbeitsschritte ermöglicht.

Die Zusammenarbeit mit Robotern ändert Aufgaben und Rollen der menschlichen Beschäftigten und kann eine neue psychische Belastung bedeuten. Das kann sich sowohl in Unter- als auch Überforderung äußern. Mit Hilfe einer Smartwatch werden schon heute verschiedene physiologische Daten erhoben, die auf die mentale und physische Belastung hinweisen: Cobots können daraufhin das Verhalten so anpassen, dass sich der Mensch wieder wohler fühlt.

Das europäische Forschungsprojekt MindBot erweitert diesen Ansatz auch auf Möglichkeiten, Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Kondition besser in eine Arbeitswelt integrieren zu können. Folgende Aspekte sind Zielsetzung des Projektes

  1. eine Definition organisatorischer Richtlinien für die Cobot unterstützte Gestaltung einer Produktionsumgebung, die die psychische Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fördert.
  2. Die Entwicklung technischer Merkmale für die Gestaltung eines solchen Cobots und die Realisierung des MindBotPrototyps.
  3. Die Definition eines Beschäftigungsmodells für Menschen, bei denen eine Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert wurde und die in kleinen und mittleren Produktionsunternehmen arbeiten, welche Cobots einsetzen.

KI-unterstützte Emotionserkennung

Emotionen begleiten uns stets durch den Alltag. Fehlerhafte Wahrnehmung von Emotionen führen schnell zu Barrieren in der Alltagsbewältigung. Auch hier kann KI mittels Mustererkennung in Sprache, Tonlage und Mimik helfen Emotionen zu erkennen. Auf diese Weise können Menschen unterstützt werden, die aufgrund kognitiver und psychischer Beeinträchtigungen Herausforderungen in kommunikativen und sozialen Situationen haben. Diese Situationen finden sich im Arbeitsleben an verschiedenen Stellen wieder. Beispielsweise bei Prüfungssituationen in der Ausbildung und Vorstellungsgesprächen für Arbeitsplätze über Teammeetings und Feedbackgespräche bis hin zu verschiedenen Kundenkontakten. Gerade auch bedingt durch KI-basierte Automatisierung und Übernahme von standardisierbaren Tätigkeiten werden dabei kommunikative Aufgaben und Kompetenzen in Zukunft oftmals eine noch größere Rolle einnehmen als bisher.

Die Entwicklung eines empathische Trainingsbegleiter für den Bewerbungsprozess (EmpaT) ist dabei ein Projekt, dem u.a. das deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH Saarbrücken nachgegangen ist.

Das Projekt erlaubt es die sozialen Fähigkeiten in einer virtuellen Lernumgebung zu trainieren. Dabei werdet Techniken zur Erkennung, Modellierung und Generierung von verbalen und nichtverbalen Verhaltensweisen genutzt, um Bewerbungs- und andere Dialogsituationen mit virtuellen Avataren zu simulieren. Ziel ist es, Personen auf emotional schwierige Situationen vorzubereiten, die häufig mit starken negativen Emotionen wie Nervosität oder Ängstlichkeit behaftet sind. Die virtuelle Umgebung von EmpaT bietet den Vorteil, dass sich mit ihr viele denkbare Situationen nachstellen und für Trainingszwecke beliebig oft reproduzieren lassen. Die Evaluation des Projektes ergab, dass der Einsatz des Empat-Trainings die Angst vor Bewerbungsgesprächen reduzieren ließ. Dabei wurden die Teilnehmenden mit einer Kontrollgruppe verglichen, die sich mit klassischen Methoden wie Video und Textinformationen auf das Bewerbungsgespräch vorbereitet hatten.

Audioassistenten

Die OrCam MyEye ist ein Vorlesegerät, dass mithilfe von künstlicher Intelligenz in weniger als einer Sekunde Text erfasst und ihn diesen Text vorliest. Dies ermöglicht es Menschen mit Sehbeeinträchtigungen wieder eigenständig Texte zu lesen und Objekte zu erfassen. Mit nur einem Knopfdruck können Nutzende den Vorlesevorgang starten und den Text in ihrer Umgebung erkunden. Im Arbeitsleben kann das Gerät zum Beispiel für die Teilnahme an Besprechungen, für die Akteneinsicht oder für den Weg zur Arbeit hilfreich sein. Die Kamera erfasst kontinuierlich den Sehraum vor der nutzenden Person in natürlicher Blickrichtung. Sobald die Person mit dem Finger auf einen bestimmten Text, Artikel oder Absatz im Blickfeld zeigt oder alternativ an der Basiseinheit einen Schalter betätigt, wandelt das Gerät die visuellen Informationen in Audioinformationen um, die über den Ohrhörer ausgegeben werden.

Unterstützung von gehörlosen und schwerhörigen Menschen

Für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen stehen schon einige Tools zur Verfügung. Neben Apps fürs Smartphone kommen auch in diesem Bereich bereits Datenbrillen zum Einsatz. Mittels augmented reality  können Personen mit diesen intelligenten Brillen an Echtzeit-Diskussionen teilnehmen, indem sie die Untertitel oder Untertitel vor ihren Augen lesen. Das Unternehmen XRAI Glass hat diese Brille entwickelt, indem es eine normale Augmented-Reality-Brille (AR) mit einer KI-gesteuerten Smartphone-App kombiniert hat.

Ava ist eine App für das Smartphone. Sie gibt gesprochene Sprache nahezu in Echtzeit schriftlich als Text über das Smartphone oder auf dem Computer wieder. Auf diese Weise können beispielsweise hörgeschädigte Personen einen Vortrag oder ein Gespräch mitverfolgen und direkt daran teilhaben.

Zudem entsteht eine schriftliche Gesprächsaufzeichnung, bei der die unterschiedlichen Gesprächsteilnehmer farblich markiert werden. Zusätzlich können auch einzelne Wörter markiert und Korrekturen vorgenommen werden. Die so entstandenen Protokolle, auch Transkripte genannt, können gespeichert werden.

Barrierefreiheit im Netz – Vorsicht bei Overlaytools bei Webseiten

Barrierefreiheit spielt auch im Netz eine große Rolle. Die moderne Arbeitswelt kommt selten ohne den Einsatz von Webseiten aus. Vor einigen Jahren spielten für die Barrierefreiheit sehbeeinträchtigter Menschen waren Overlaytools eine große Hilfe. Mittlerweile haben aber Browser wie u.a. Firefox viele Möglichkeiten zu individueller Einstellung, sodass von diesen Tools eher abzuraten ist. Grundlage ist jedoch immer der Aufbau einer Barrierefreien Grundstruktur. Ist diese nicht gegeben, helfen auch Tools nur bedingt weiter. Eine kompakte Übersicht zu den Einstellungsmöglichkeiten von Firefox finden sie hier.

Auch der Einsatz von Screenreadern ist möglich.  „Ein Screenreader ist eine Software, die Blinden und Sehbehinderten eine alternative Benutzerschnittstelle anstelle des Textmodus oder anstelle einer grafischen Benutzeroberfläche bietet. Ein Screenreader vermittelt die Informationen, die gewöhnlich auf dem Bildschirm ausgegeben werden, mithilfe nicht-visueller Ausgabegeräte. Die Bedienelemente und Texte werden dabei mittels Sprachsynthese akustisch zumeist über eine Soundkarte oder taktil über eine Braillezeile wiedergegeben.“ (Dieser Text wurde aus Wikipedia unter der Lizenz CC BY-SA 4.0 Deed Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International übernommen.

Exoskelette

Exoskelette sind mechanische Gerüste, die eng am Körper getragen werden, um den Körper wie eine Art Stützkorsett zu unterstützen oder ihm aktiv bei der auszuführenden Bewegung zu assistieren. Sie sind eine Art Roboter zum Anziehen und funktionieren wie Prothesen. Sie sind berührungssensibel und individuell programmierbar und können auch als Assistenzsysteme für Menschen mit körperlichen Behinderungen eingesetzt werden. Genutzt werden Exoskelette schon heute in unterschiedlichen Bereichen der Industrie und beim Heben und Tragen in der Pflege.

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Mit der App AirCrumb zu Struktur beim Lernen und im Alltag

AirCrumb wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die App hilft Teilnehmenden mit einer psychischen Erkrankung u.a. dabei, ihren Alltag besser zu strukturieren, einen Überblick über die täglich anstehenden Aufgaben zu bekommen sowie die tägliche Motivation aufrecht zu erhalten und trägt so zur psychischen Stabilisierung der Teilnehmenden bei.

Fachkräfte pflegen die Inhalte der App ein und bleiben im engen Austausch mit den Teilnehmenden. In der App können eine Reihe von Inhalten hinterlegt werden. Bspw. Kalender und Stunden- bzw. Ausbildungspläne, wichtige Termine wie Therapien oder auch Fragen, die die App automatisiert zu bestimmten Zeitpunkten des Tages stellt. Die App dient somit als technisches Verbindungsstück zwischen Fachkräften und Teilnehmenden.  Zusätzlich wird das Lernen im Alltag durch die App mit einem integrierten „Microlearning“ gefördert, Es können fachliche Inhalte in die App eingepflegt werden. Auf diese Weise bietet die App eine Lernunterstützung für die Teilnehmenden und kann dabei helfen, Lernstrategien zu entwickeln sowie die Fokussierung auf die wesentlichen Inhalte zu ermöglichen und Ausbildungsinhalte zu vertiefen.

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Fazit

Mittels unterschiedlicher technischer Unterstützung ist es bereits heute möglich, dass Beeinträchtigungen in der Arbeitswelt reduziert und zum Teil ausgeglichen werden können. Dies sorgt für mehr Gleichheit und Teilhabe. Wie bei allen Technologien bedarf es auch hier hoher Datenschutzstandards und einer strengen ethischen Begleitung. Andernfalls können diese Produkte auch missbräuchlich und stark überwachend genutzt werden. Dies gilt es unter allen Umständen zu vermeiden. Positiv bei dem Einsatz von KI ist der höchst individuelle Einsatz. So können Lernerfahrungen sehr intelligent auf das eigene Niveau angepasst werden.

Aktuelle Fachbeiträge und Quellen

Lippa, B. (2022). Inklusive Arbeitswelt mit Künstlicher Intelligenz. Impulse aus der projektbegleitenden Arbeitsgruppe. Ergebnisbericht des Projekts KI.ASSIST. Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke e. V.

Lippa, B. & Stock, J. (2022). Selbstbestimmte Teilhabe am Arbeitsleben durch KI-gestützte Assistenztechnologien? Überlegungen und Erfahrungen aus dem Projekt KI.ASSIST. Ergebnisbericht des Projekts KI.ASSIST. Bundesverband Deutscher Berufsförderungswerke e. V.

Steil, J. J., Bullinger Hoffmann, A., André, E. et al.: Mit KI zu mehr Teilhabe in der Arbeitswelt. Potenziale, Einsatzmöglichkeiten und Herausforderungen. Whitepaper aus der Plattform Lernende Systeme, München. https://doi.org/10.48669/pls_2023-4

Vorhaben: EmpaT – Empathische Trainingsbegleiter, Teilvorhaben: Überprüfung des psychologischen Realismus und der Effekte auf Bewerbende : Schlussbericht – Teilvorhaben  : Bewilligungszeitraum: 1. April 2014 – 30. März 2018 https://doi.org/10.2314/GBV:1066599009

Arbeitsschutzgerechter Einsatz von Datenbrillen − FAQs, Checklisten (PDF der DGUV)

https://www.ki-assist.de/
https://toolbox.teilhabe4punkt0.de/

Sprachmodelle im Sozialwesen

Sprachmodelle sind Algorithmen, die die Struktur der menschlichen Sprache lernen und nutzen. Sie können verwendet werden, um Text zu generieren oder um die Bedeutung von Text zu verstehen. Sprachmodelle sind ein zentraler Bestandteil vieler KI-Anwendungen, darunter maschinelle Übersetzung, Spracherkennung und Chatbots.

Da im Sozialwesen große Mengen an Text erzeugt und verarbeitet werden und eine sehr große Menge an Daten in Form natürlicher Sprache vorliegt, erscheint GPT äußerst relevant. Aufgrund der zunehmenden Rechenleistung und dadurch sinkende Kosten bei der Berechnung, treten die Anwendungen aktuell stärker in den Vordergrund und werden auch für Endanwender interessant.

Es gibt verschiedene Arten von Sprachmodellen, die auf unterschiedlichen Techniken basieren.

  • N-Gramm-Modelle: Diese Modelle verwenden die Statistik von N-Grammen (Sequenzen von N Wörtern) in einem Text, um die Wahrscheinlichkeit des nächsten Wortes in einer Sequenz zu schätzen. (bspw. Rechtschreibkorrektur, Übersetzer etc.)
  • Neuronale Netzwerkmodelle: Diese Modelle verwenden neuronale Netzwerke, um die Beziehungen zwischen Wörtern in einem Text zu lernen. Sie können komplexe Muster erkennen und sind in der Lage, kohärenten und grammatikalisch korrekten Text zu generieren. (bspw. Chatbots)
  • Transformatorbasierte Modelle und Largelanguagemodelle (LLMs): Diese Modelle, wie GPT-4 und BERT, verwenden eine Architektur namens Transformer, die auf selbstbeachtenden Mechanismen basiert. Sie sind sehr leistungsfähig und können eine breite Palette von Sprachaufgaben bewältigen.

Vor- und Nachteile von Sprachmodellen

Sprachmodelle haben sowohl Vor- als auch Nachteile, die bei ihrer Anwendung berücksichtigt werden müssen.

Vorteile von Sprachmodellen:

  • Verständnis und Generierung von Sprache: Sprachmodelle können menschliche Sprache verstehen und generieren, was sie für viele Anwendungen nützlich macht, wie z.B. maschinelle Übersetzung, Spracherkennung und Chatbots.
  • Automatisierung: Sie können Aufgaben automatisieren, die normalerweise menschliche Eingriffe erfordern, wie z.B. Kundendienst oder Content-Erstellung.
  • Skalierbarkeit: Sprachmodelle können auf eine große Menge von Daten angewendet werden und bieten so eine skalierbare Lösung für die Verarbeitung von Sprachdaten.

Nachteile von Sprachmodellen:

  • Datenabhängigkeit: Die Qualität hängt stark von der Qualität der Daten ab, mit denen sie trainiert wurden. Wenn das Modell mit voreingenommenen oder ungenauen Daten trainiert wurde, kann dies zu ungenauen oder voreingenommenen Ausgaben führen. Es gibt eine Reihe von Initiativen zur Verbesserung der Fairness von KI-Modellen.
  • Mangel an Kontextverständnis: Obwohl Sprachmodelle menschliche Sprache imitieren können, fehlt ihnen oft das tiefere Verständnis des Kontexts. Das kann zu Ausgaben führen, die in bestimmten Situationen unpassend oder ungenau sind.
  • Ethische Bedenken: Die Verwendung von Sprachmodellen wirft auch ethische Fragen auf, wie z.B. die potenzielle Verbreitung von Fehlinformationen oder die Verletzung der Privatsphäre.

Es gibt dabei verschiedene Ansätze, die Entwickler*innen verfolgen können, um ihre KI-Modelle fairer zu gestalten:

  • Datenqualität: Die Qualität und Vielfalt der Trainingsdaten sind entscheidend. Die Daten sollten ausgewogen und repräsentativ für die verschiedenen Gruppen sein, die das Modell verwenden werden.
  • Bias-Erkennung: Es gibt Tools und Techniken zur Erkennung und Minderung von Bias in KI-Modellen. Durch die Anwendung dieser Tools können Entwickler*innen Bias in ihren Modellen identifizieren und Maßnahmen zur Minderung ergreifen.
  • Transparenz: Die Transparenz des Modells ist wichtig für die Fairness. Das bedeutet, dass die Entscheidungen des Modells nachvollziehbar und erklärbar sein sollten.
  • Regelmäßige Überprüfung: KI-Modelle sollten regelmäßig überprüft und aktualisiert werden, um sicherzustellen, dass sie weiterhin fair und genau sind.
  • Ethikrichtlinien: Die Einhaltung von Ethikrichtlinien und Standards kann dazu beitragen, die Fairness von KI-Modellen zu gewährleisten.
  • Beteiligung der Stakeholder: Die Einbeziehung verschiedener Stakeholder bei der Entwicklung und Überprüfung von KI-Modellen kann dazu beitragen, verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen und die Fairness zu verbessern.

Indem sie diese Praktiken befolgen, können Entwickler*innen dazu beitragen, die Fairness ihrer KI-Modelle zu verbessern und sicherzustellen, dass sie auf eine Weise eingesetzt werden, die ethisch und gerecht ist.

Sicht des Klienten

Die Nutzung kann gleichwohl für Klient*innen attraktiv erscheinen: Neben dem Wegfall einer möglichen Bewertung durch ein menschliches Gegenüber sind NLP-Systeme stets verfügbar, niederschwellig erreichbar, und die Verengung auf einen Problemaspekt oder einen Lösungsansatz ist möglicherweise sogar gewünscht. Auch wenn eine Interaktion mit einem solchen System als quasisoziale Interaktion wahrgenommen werden kann, fehlt die professionelle Reflexion und der Rückbezug auf die von Staub-Bernasconi benannten vier Komponenten von Sozialarbeit. Dazu zählen wissenschaftliches Wissen, ethische Basis, Menschenrechte und -würde sowie Haltung.

Der Einsatz von Chatbots in der psychosozialen Beratung

Chatbots können etwa für den Erstkontakt mit Ratsuchenden, denen Informationen zur Verfügung gestellt werden oder die richtige Ansprechperson empfohlen wird. Woebot wurde von Mediziner*innen, Psycholog*innen und Techniker*innen entwickelt und bietet Unterstützung durch Gespräche, in denen er nach dem aktuellen Befinden fragt, zuhört und Ratschläge gibt. Aufgrund von Datenschutzbestimmungen ist Woebot in Deutschland nicht verfügbar.

Aber wie funktioniert Woebot?

  • Interaktion über eine App: Woebot interagiert mit Benutzer*innen über eine bereitgestelle APP. Die Benutzer*innen können einfach eine Nachricht an Woebot senden, um die Konversation zu beginnen.
  • Verwendung von kognitiver Verhaltenstherapie: Woebot nutzt Daten der kognitiven Verhaltenstherapie, um Benutzer*innen dabei zu helfen, ihre mentalen und emotionalen Herausforderungen zu bewältigen.
  • Automatisierte Antworten: Da Woebot ein automatisiertes Chatprogramm ist, erscheinen seine Antworten in Sekundenschnelle.
  • Tägliche Stimmungsabfragen: Woebot fragt regelmäßig nach der Stimmung der Benutzer*innen, um langfristig deren Entwicklung zu visualisieren.

Ein Vorteil eines solchen Bots ist die ständige Verfügbarkeit. Es gibt keine Wartezeit. Bots stellen oft nur Ideen zum Umgang mit der eigenen Situation zur Verfügung. Mögliche Vorteile können aber Interaktivität und erlebte Selbstwirksamkeit sein. Nutzer*innen erhalten eine direkte Reaktion.

Es ist wichtig zu beachten, dass Chatbots kein Ersatz für professionelle medizinische oder psychologische Beratung sind. Sie sollen eher als ergänzendes Tool gesehen werden, das rund um die Uhr verfügbar ist. Chatbots sollten nur einen Erstkontakt herstellen und dann an Fachpersonal weiterleiten. Der Fokus der Therapieleistungen sollte beim Fachpersonal bleiben. Andernfalls besteht die Gefahr einer einseitigen Betrachtungsweise der Situation durch die ratsuchende Person selbst, anstelle einer ganzheitlichen Beratung unter Einbezug von Umfeld, Gesellschaft und weiteren Faktoren.

Der Einsatz von Bots muss für Ratsuchende transparent gemacht werden. Sie sollen zu jeder Zeit darüber bewusst sein, dass ein Algorithmus und kein Mensch auf ihre Anfragen antwortet.

Sprachmodelle im Wissensmanagement

Im Sozialwesen verarbeiten die Fachkräfte immer wieder eine Menge von Daten. Diese liegen mittlerweile häufig auch schon digital vor, leider fehlt es häufig noch an der Verknüpfung dieser Daten. Im Bereich der Teilhabe nach SGB IX arbeiten die Fachkräfte auf Basis des ICF. Diese Vorgaben zur Bedarfsermittlung, Zielplanung, Maßnahmenplanung und auch Berichtwesen gelten bundesweit. Hier ergeben sich perspektivisch spannende Möglichkeiten der Verknüpfung der vorliegenden Dokumentation und ICF.

  • Das Projekt MAEWIN verfolgt das Ziel, die Chancen und Risiken automatisierter Text- und Datenanalyse für evidenz-gestützte Handlungsempfehlungen im Feld des Sozialwesens zu prüfen.
  • Das Projekt zu computergestützter Analyse sozialwissenschaftlicher Texte mit Hilfe maschineller Lernverfahren kurz CASoTex. Inhaltlich sollte in diesem Projekt untersucht werden, in wie weit Qualitätsmerkmale professioneller psychosozialer Beratung und insbesondere der Variante der Onlineberatung im Handeln der Berater*innen im Beratungsforum nachweisbar sind. Auch wenn das Projekt im Verlauf auf einige Hürden stieß, hat sich gezeigt, dass maschinelle Lernverfahren wichtige Erkenntnisse zur sprachlichen Gestaltung von Beratungstexten liefern können. Systematische Analysen mit diesen Methoden können wertvolle Hinweise zur methodischen Gestaltung von Beratungshandeln liefern.

Sprachmodelle im Qualitätsmanagement

Grundlage der Erbringung von Leistungen sind stets juristische Eckpfeiler. Dabei beziehen sich die Fachkräfte häufig auch nicht nur auf ein Gesetz. Aus der Arbeit in der Eingliederungshilfe in einer besonderen Wohnform kann ich beispielhaft das SGBIX, WBVG, NuWG, NuWGPersVO und NuWGBauVo aufführen. Dazu ergänzend noch der Landesrahmenvertrag zur Ausführung des SGB IX und die dazugehörigen Rahmenleistungsvereinbarungen. Die Vereinbarungen mit den Nutzenden haben dabei stets die aktuellen Rahmenbedingungen zu erfüllen. LLMs können dabei helfen, die eigenen Verträge auf Aktualität zu überprüfen und Widersprüche in der Vertragsgestaltung aufzudecken.

Gleichzeitig können auf Basis einer vorliegenden Anamnese Rechtsansprüche identifiziert werden.

Erste Ansätze liefert unter anderem das Tool Jura Pro auf Basis von GPT-4.

In vielen Arbeitsfeldern muss Dokumentation zeitnah erfolgen. Dabei passiert es im Pflegealltag häufig, dass Fachkräfte sich während des Tages Notizen machen und dann am PC ihres Arbeitsplatzes die gesammelten Daten eingeben. Dadurch entstehen zum Teil doppelte Arbeitsprozesse, die die Zeit mit dem zu unterstützenden Menschen fehlen. Eine Unterstützung bei der zeitnahen Dokumentation kann der Sprachassistenz voize bieten. Dabei können Fachkräfte die Dokumentation frei am Smartphone einsprechen. Das Tool voize erstellt automatisch die richtigen Pflegeberichte, Vitaleinträge und Bewegungsprotokolle und überträgt diese per Schnittstelle in Ihr Dokumentationssystem (bspw. Vivendi PD der Firma Connext) . Ein weiterer Vorteil ist die Steigerung der Qualität in der Dokumentation. Für die Verwendung der APP wird ein Auftragsdaten- verarbeitungsvertrag geschlossen. Dieser ist DSGVO, KDG (Gesetz über den kirchlichen Datenschutz) und DSG-EKD (Datenschutzgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland) konform.

Die medizinische Dokumentation können LLMs durch Übernahme von standardisierten Routineaufgaben erleichtern und effizienter gestalten. Sie können beispielsweise ärztliche Dokumentationen in leicht verständlicher Sprache generieren, was möglicherweise zu einer Erhöhung der Gesundheitskompetenz von Patient*innen und damit auch zu einer gesteigerten Therapieadhärenz beitragen kann. Hier zu nennen sei das Tool Corti. Das selbst lernende System generiert Lösungspotenziale für strukturierte Diagnostik und Befunden. Die KI von Corti analysiert klinische Notizen und identifiziert automatisch die am besten geeigneten Codierungen. Probleme im manuellen Codierungsprozess, wie Unter- und Überkodierung, können so erkannt werden.

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Sprachmodelle in der Arbeit mit älteren Menschen

Der Anteil an älteren Menschen in unserer Gesellschaft wird immer größer. In der Regel äußern die Menschen den Wunsch, möglichste lange in der eigenen Häuslichkeit leben zu können. Unterschiedliche Dienstleistungen durch Pflegedienste und andere Unterstützungsleistungen helfen dabei. Aber auch moderne Techniken können einen wichtigen Beitrag zum Wohnen in der eigenen Häuslichkeit liefern.

Im Bereich der intelligenten Assistenz wird Sprachassistenz u. a. zur Steuerung von Smarthome-Funktionen, für Erinnerungen (Trink- und Medikamentenerinnerung) und zum Aufbau von Kommunikation (Anrufe zu Angehörigen und Kontakten starten, aber auch Hilferufe weiterleiten) eingesetzt. Bei den benötigten Daten um Informationen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich. Es müssen daher sehr hohe Standards bezüglich des Datenschutzes bei der Anwendung erfüllt werden.

Einsatz spezifischer Sprachmodelle in der Kinder- und Jugendhilfe

In Deutschland gibt es dazu bisher noch wenige Daten. Ein Hauptgrund ist sicherlich der Datenschutz und die hohe Sensibilität der Daten. Zwei mögliche Einsatzfelder seien hier dennoch zu benennen. Zum einen geht es um die Gefährdungseinschätzung und zum anderen um die Unterstützung im Erziehungssetting

Einschätzung von Kindeswohlgefährdung: In den USA werden dazu unterschiedliche Systeme (bspw. Kalifornien und Pennsylvania) erprobt. Mit dem Verfahren der „Predictive Analytics“ werden historische Daten mit statistischer Modellierung, Data-Mining-Techniken und maschinellem Lernen kombiniert und auf Muster hin untersucht. Ziel ist es Vorhersagen über zukünftige Ereignisse zu treffen. Internationale Studien haben gezeigt, dass die auf Statistik basierten Einschätzungen zur Kindeswohlgefährdung sehr genau und sogar klinischen Verfahren überlegen sind. Statistik wird in diesen Szenarien als wesentlicher Entscheidungsfaktor identifiziert und kann den Prozess der Urteilsbildung in der Profession der Sozialen Arbeit nachhaltig verändern. Plötzlich konkurriert die Urteilskompetenz der Fachkräfte mit computergestützten Programmen hinsichtlich ihrer Treffsicherheit. Nicht ohne Grund werden solche statistischen Verfahren international allerdings höchst umstritten. Der stärkste Einwand in der Debatte ist, dass sie zu einer Deprofessionalisierung der Sozialen Arbeit sowie einer gleichzeitigen Entmündigung ihrer Adressat*innen und der Gefahr falscher Vorverurteilung führen. Wenn es jedoch darum geht, anstelle eines First-come-first-serve-Ansatzes Priorisierungen in die Fallbearbeitung zu integrieren, kann dies durchaus zu einer erhöhten Wirksamkeit der eigenen Arbeit führen, da die Ressourcen besser eingesetzt werden. Die Verantwortung und Entscheidungskraft müssen jedoch bei den Mitarbeitenden bleiben.

Unterstützungswerkzeuge für die pädagogische Arbeit: Im Forschungsprojekt KiJu Assistenz werden digitale Unterstützungs­werkzeuge für die pädagogische Arbeit entwickelt. Dabei soll die Software Fachkräfte bei der gezielten Auswahl individueller pädagogischer Methoden unterstützen. Grundlage ist die in den Einrichtungen geführte Dokumentation. Diese wird zur Entwicklung der Kinder analysiert und bewertet. Die pädagogische Arbeit wird transparenter und effektiver, da Arbeitsprozesse der Fachkräfte klarer strukturiert und besser abgestimmt werden.

Fazit

Der Einsatz unterschiedlicher Sprachmodelle ist schon heute sehr vielfältig und in diesem Beitrag noch längst nicht umfassend erfasst. Bewusst habe ich dabei den Bereich der Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen nicht beleuchtet. Dieses Feld wird in einem der nächsten Beiträge vorgestellt. Vor den beleuchteten Perspektiven des Einsatzes von Sprachmodellen ergeben sich sowohl Risiken (u. a. die Gefahr einer modularisierten Herauslösung sozialarbeiterischer Tätigkeit) als auch Chancen (u. a. mehr Teilhabe, niederschwelliger Zugang). Das Sozialwesen wird bei dieser Debatte einen wichtigen Beitrag leisten müssen. Mit dem gezielten Einsatz von digitalen Unterstützungssystemen kann jedoch die Qualität der Arbeit gesteigert werden. Die letzte Instanz bei der Festlegung von Maßnahmen und Entscheidungen muss jedoch der Mensch sein.

Aktuelle Fachbeiträge und Quellen

Jan Clusmann, Fiona R. Kolbinger, Hannah Sophie Muti, Zunamys I. Carrero, Jan-Niklas Eckardt, Narmin Ghaffari Laleh, Chiara Maria Lavinia Loffler, Sophie-Caroline Schwarzkopf, Michaela Unger, Gregory P. Veldhuizen, Sophia J. Wagner, Jakob Nikolas Kather; Die kommende Entwicklung großer Sprachmodelle in der Medizin. Kompass Onkol 1 March 2024; 11 (1): 3–10. https://doi.org/10.1159/000536600

Linnemann, G.A., Löhe, J. & Rottkemper, B. Bedeutung von Künstlicher Intelligenz in der Sozialen Arbeit. Soz Passagen 15, 197–211 (2023). https://doi.org/10.1007/s12592-023-00455-7

Weinhardt, Marc. (2022). Algorithmen und professionelles Handeln in der Sozialpädagogik: Das Beispiel Kinderschutz. In: H. Diebel-Fischer, L. Hellmig & M. Tischler: Technik und Verantwortung im Zeitalter der Digitalisierung. (S. 103-122). Rostock: Universität Rostock. 10.18453/rosdok_id00003985.

Zernikow, J., Grassow, L., Gröschel, J. et al. Anwendung von „large language models“ in der Klinik. Innere Medizin 64, 1058–1064 (2023). https://doi.org/10.1007/s00108-023-01600-3